Startseite » Für eine textbasierte Europahymne!

Europahymne (Hymne der Europäer)

Wir leben in Europa, in stolzen Ländern von so großer Zahl,
vom Nordkap bis hin nach Kreta, von Lissabon bis zum Ural.
Wir schützen Dich, Europa, und Deine Küsten, Städte, Berge, Seen.
Wir bauen auf Dich, Europa, Dein Stern soll niemals untergehn.

Hast Dich zu oft geschunden, gesehen manches Leid,
doch endlich einen Weg gefunden in die neue Zeit.

Du bist unser Weg, Europa, mit Dir werden alle Deine Völker gehn.
Du bleibst unser Ziel, Europa, wir werden immer zu Dir stehn.

Gemeinsam sind wir stark. Und wenn unser Bund hält,
dann können wir den Frieden bringen und den Fortschritt in unsre Welt.

Wir lieben Dich, Europa, Du Heimat großer Männer und Fraun.
Wir werden in Europa gemeinsam unsre Zukunft baun.
Wir bleiben Dir treu, Europa, sind stolz auf deinen Beitrag für die Welt.
Wir wollen, dass ganz Europa auf immer zusammenhält.

Gesungen auf das Präludium (Marche en rondeau) zum „Te Deum“ (H. 146) in D-Dur von Marc-Antoine Charpentier

Textbasierte „Europahymne“

Warum es neben der textlosen „Europäischen Hymne“ eine textbasierte „Europahymne“ geben sollte, die damit auch eine „Hymne der Europäer“ ist:

Gibt es nicht schon eine „Europahymne“? Nein, die gibt es bisher nicht! Es gibt eine „Europäische Hymne“. Und diese ist eine Hymne der europäischen Institutionen, aber keine Europahymne und schon gar keine Hymne der Europäer!

Die „Europäische Hymne“ ist eine Instrumentalfassung des Hauptthemas aus dem vierten Satz der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Der Europarat nahm am 19. Januar 1972 die Melodie als eigene Hymne an und beauftragte den Dirigenten Herbert von Karajan mit dem Arrangement. 1985 wurde die Instrumentalversion von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaften (EG), der Vorläufer-Organisation der Europäischen Union, als offizielle Hymne der EG angenommen.

Allerdings ist die von Beethoven mit dieser Melodie vertonte Ode „An die Freude“ von Friedrich Schiller zunächst einmal ein opulentes Trinklied, ein dionysisches Hochlied auf die Freude in ihren wesentlichen Ausformungen: Ekstase, Lust und Rausch! Die von Beethoven und nachfolgenden Generationen gepflegte Überhöhung dieses Werks zum Bekenntnis universeller humanistischer Ideale beruht auf einem Missverständnis, welches aufgrund der hymnenhaften Poesie Schillers und der geschickten Textauswahl sowie der großartigen Vertonung durch Beethoven verständlich ist.

Dieses Missverständnis gilt bereits für die gerne als Kernsatz herausgestellte Verszeile „Alle Menschen werden Brüder“ in der ersten Strophe der Ode. Die Europäische Kommission schreibt hierzu auf ihrer Webseite:
Mit seiner „Ode an die Freude“ brachte Schiller seine idealistische Vision zum Ausdruck, dass alle Menschen zu Brüdern werden – eine Vision, die Beethoven teilte.

Allerdings hatte Schiller das gar nicht geschrieben. Zu dessen Lebzeiten las man seit der Erstveröffentlichung im Jahr 1786: „Bettler werden Fürstenbrüder“. Die Fassung „Alle Menschen werden Brüder“ findet sich erst in einer von Schillers Freund und Förderer Christian Gottfried Körner bearbeiteten posthumen Veröffentlichung im Jahr 1808, also drei Jahre nach Schillers Tod. Dies weist bereits hin auf das eigentliche Schillersche Verständnis, nämlich eine durch die „Flügel der Freude“ bewirkte „Bruderschaft im Rausch“ von Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten.

In weiteren, von Beethoven nicht verwendeten Strophen der Schillerschen Ode kommt der Charakter des Trinkliedes und der Betonung des Rausches als wesentlicher Ausdrucksform der „Freude“ dann sogar noch stärker zum Ausdruck.

Doch wie dem auch sei: Die Kombination einer genialen Musik mit einem wohlgesetzten Hoch auf die Freude entfaltet eine Faszination, der sich niemand entziehen kann und die im Konzertsaal geradezu überwältigend ist. Die opulente Poesie eines Giganten der Literatur in Verbindung mit der überwältigenden Komposition eines Giganten der Musik haben also bei den Zuhörern exakt den von Schiller gemeinten Rausch der Freude ausgelöst, in welchem sich der Blick auf die Feinheiten der dichterischen Sprache vernebelt hat. Aber nach zwei Jahrhunderten darf man ja auch zur Besinnung kommen und den Verstand wieder einschalten.

Und dann kommt man nicht an der Erkenntnis vorbei, dass die „Europäische Hymne“ trotz der Wahl einer genialen Komposition gleich mehrere Schwächen aufweist, welche eine Verwendung als Symbol und als Ansporn für die europäische Einigung behindern:

  • Eine von Schiller abweichende, moderne Textierung hat man sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht getraut. Doch auch eine Übersetzung in alle europäischen Sprachen kam nicht in Frage. Denn selbst im Deutschen klingt die Schillersche Ode altertümlich. Und der gedankliche Inhalt und das Feiern der „Freude“ sind – ungeachtet der vorstehenden Ausführungen zum Verständnis als Hochlied auf Ekstase und Rausch – überhaupt nur bei starker Konzentration zu entziffern. Schon der zentrale Gedanke, dass die Zauber der Freude das wieder binden, was die „Mode“ der Standesunterschiede streng geteilt habe, ist für heutige Zuhörer kaum noch zu entschlüsseln, zumal die Schillersche „Mode“ mit der Berliner Fashion Week nicht das Geringste zu tun hat.
  • Wenn die Europäische Union also auf ihrer Webseite mit Blick auf Schillers bzw. Körners Worte „Alle Menschen werden Brüder“ schreibt, die Hymne symbolisiere damit „nicht nur die Europäische Union, sondern auch Europa im weiteren Sinne“, so fragt man sich unwillkürlich, warum denn dann dieser Text nicht auch gesungen wird. Denn zum Mitschreiben und Mitdenken: Die „Europäische Hymne“ hat keinen Text, nimmt aber auf einen ganz bestimmten Text und insbesondere einen Kernsatz Bezug, der erstens gar nicht von Schiller stammt und zweitens nicht im Schillerschen, sondern im Beethovenschen Sinne interpretiert wird. Natürlich muss eine Hymne nicht unbedingt einen Text haben. Aber eine sozusagen kontinentale Hymne, die keinen Text hat außer einem schwer verständlichen nicht genannten, auf den sie auch noch in fragwürdiger Weise Bezug nimmt, der aber im Übrigen den meisten Europäern ohnehin völlig unbekannt ist? Was soll das?

    Welch identitätsstiftendes Projekt – quer durch alle europäischen Nationen – wäre es dagegen, eine Melodie mit einem zeitgemäßen „europäischen“ Originaltext zu wählen und sodann für jede europäische Sprache einen Dichter-Wettstreit für die beste textliche Adaption der Vorlage auszurichten! Die „Internationale“ hatte doch schon vor mehr als einem Jahrhundert gezeigt, dass dadurch in jeder Sprache neue Kunstwerke hervorgebracht werden, die einen jeweils spezifischen Blick auf die Kernbotschaften des Originals richten.
  • Ausgerechnet aus der Not der Textlosigkeit will die EU auf ihrer Webseite dann eine Tugend machen, wenn sie formuliert: „Ohne Worte, nur in der universellen Sprache der Musik, bringt sie die europäischen Werte Freiheit, Frieden und Solidarität zum Ausdruck.“ Doch auch dieser Bezug ist nur für ein relativ elitäres Publikum überhaupt nachvollziehbar, zumal er aus dem zugrundliegenden Schillerschen Text überhaupt nicht ableitbar ist. Die wenig überzeugende Sicht der EU-Kommission zeigt einmal mehr: es handelt sich um eine Hymne für die europäischen Institutionen, nicht für die Bürger Europas!
  • Im Übrigen wird hier der entscheidende Geburtsfehler der Europäischen Hymne deutlich: Beethovens Geniestreich ist eben gerade keine „Europäische“, sondern eine „Welthymne“! So wenig wie Kopernikus einen nur europäischen Sternenhimmel und Einstein eine nur europäische Physik revolutioniert haben, so wenig ist Beethovens hymnische Vertonung eine nur europäische Hymne. Denn selbst wenn man Europa als die Wiege jener abendländischen Werte des Humanismus in Anspruch nehmen möchte, für welche „die Neunte“ stehen soll, so ist die von der EU mit der Wahl dieser Hymne verkündete kontinentale Inanspruchnahme dieser Werte abwegig. Nicht nur, dass diese Werte längst insbesondere nach Amerika und Australien „exportiert“ und übrigens von dort aus auch in Europas dunkelsten Stunden verteidigt wurden. Es ist vielmehr auch gegenüber solchen Ländern, die in dieser Hinsicht teils erheblichen Nachholbedarf haben, komplett verfehlt, diese Werte als spezifisch europäische Merkmale herauszustellen.
  • Eine wesentliche weitere Schwäche der Europäischen Hymne ist schließlich das enttäuschende Arrangement der genialen Vorlage durch den Dirigenten Herbert von Karajan. Ganz besonders deutlich wird dies beim verschwimmenden Melodie-Ende: Die Musik stirbt einfach weg wie beim Fading, ganz so, als hätte man einfach die Lautstärke zurückgedreht. Ein schärferer Gegensatz zu dem gewaltigen Finale der 9. Sinfonie, dem vielleicht großartigsten der gesamten Musikgeschichte, ist kaum vorstellbar.
    Gleichwohl wird auch die „Europäische Hymne“ letztlich sowohl von den Europäern als auch von der ganzen übrigen Welt anerkannt und geschätzt. Aber nur wegen der Wahl einer genialen und weithin bekannten Melodie, nicht dagegen wegen der untergeschobenen Interpretation und der suboptimalen Ausführung.

Und wenn es um die Entwicklung einer textgestützten „Europahymne“ geht, so darf man getrost feststellen: Im Instrumentenkasten der europäischen Meister finden sich genügend Werke, um die Einigung Europas zu würdigen und voranzubringen. Und hier kommt man an Marc-Antoine Charpentier nicht vorbei.

Präludium zum „Te Deum“ von Charpentier

Warum das Präludium zum „Te Deum“ von Charpentier die ideale musikalische Basis für eine textbasierte Europahymne ist:

Dem als „Marche en rondeau“ gesetzten Präludium zum „Te Deum“ (H. 146) in D-Dur von Marc-Antoine Charpentier (1643 – 1704) war es gewiss nicht vorherbestimmt, einmal als Symbol der europäischen Einigung verstanden zu werden. Es verdankt seine Entstehung wahrscheinlich dem Pfälzischen Erbfolgekrieg von 1688 bis 1697, international oft auch „Neunjähriger Krieg“ genannt. Dieser Krieg hinterließ im heutigen Südwest-Deutschland eine Spur der Verwüstung, bei der die Zerstörung von Mannheim und Heidelberg sowie des Großteils der Burgen des Rheintals durch die Armee des französischen „Sonnenkönigs“ Louis XIV. noch heute in Erinnerung sind.

Das „Te Deum“ wurde vermutlich zur Feier des Gedenkens an eine einzige Schlacht dieses zerstörerischen Krieges erstmals aufgeführt, nämlich an die von Frankreich gegen die Augsburger Allianz unter Führung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation gewonnene Schlacht bei Steenkerke am 3. August 1692.
Nachdem es dann über fast 200 Jahre vergessen und nicht wieder aufgeführt worden war, glich die Wiederentdeckung im Jahr 1953 durch den genialen Eupener Musikwissenschaftler Carl de Nys einer musikalischen Sensation.

Es sind vor allem drei Gründe, weshalb das Präludium zum „Te Deum“ die ideale musikalische Basis für eine Europahymne darstellt:

Die Bekanntheit: Im Jahr 1950 konstituierte sich die Union der Europäischen Rundfunkanstalten (EBU). 1954 wurde dann von der EBU die „Eurovision“ zum Austausch von Fernseh- und Hörfunkprogrammen gegründet. Den Wettbewerb um die Erkennungsmelodie der Eurovision gewann das kurz zuvor wiederentdeckte Hauptthema des Präludiums zum „Te Deum“ in der von Louis Martini und Guy Lambert arrangierten Fassung.

Seither sind die einleitenden Fanfarenstöße dieses Stücks den europäischen Fernsehzuschauern als Vorspann für zahllose Übertragungen bestens bekannt – vom päpstlichen Ostersegen über Unterhaltungsshows und internationale Sportereignisse bis hin zum Eurovision Song Contest. Insbesondere dieser bereits seit 1956 ausgerichtete Wettbewerb dürfte dafür gesorgt haben, dass die einprägsame Fanfare fast jedem heute lebenden europäischen Fernsehzuschauer bekannt ist und in irgendeiner Weise mit „Europa“ assoziiert wird.

Die Geschichte: Kann es der Entstehungshintergrund des „Te Deum“ mit den in Schillers Ode „An die Freude“ von Beethoven hineininterpretierten humanistischen Idealen aufnehmen? Ja, unbedingt! Denn was gibt es Versöhnlicheres, als eine herausragende Melodie, die vor bald 330 Jahren dem feierlichen Gedenken an einen einzelnen französischen Sieg im Jahrhunderte währenden deutsch-französischen Bruderkampf dienen sollte, nunmehr ganz in den Dienst der Feier der Überwindung dieses Konflikts zu stellen, welche die Grundlage für die Aussöhnung und die Einigung des Kontinents gebildet hat?

Die Musik: Angesichts der wechselvollen Geschichte des Kontinents und der Vision einer erfolgreichen und vor allem friedlichen Zukunft braucht eine „Europahymne“ Zweierlei: Überzeugung und Stolz einerseits, Innehalten und Nachdenklichkeit andererseits. Und genau das bietet die wunderbare französische Barockmusik, indem wuchtige Rhythmen sich mit leisen Melodien abwechseln: Pomp trifft Zärtlichkeit! Und einem Texter erlaubt dies, nach einem fanfarenartigen Bekenntnis zu Europa dann auch besinnliche Zwischentöne zur Geschichte und zur Zukunft Europas einzuflechten. Die Eurovisions-Fanfare hat diese gewaltige musikalische Ausdruckskraft kleinmütig auf die zweimalige Wiedergabe des Hauptthemas beschnitten. Die Europahymne verhilft ihr zur vollen Entfaltung!

Die vorgelegte deutsche Textfassung verdient auch inhaltlich die Bezeichnung „Europahymne“, da „Europa“ gleich neunmal, nämlich bei neun der insgesamt 10 Fanfarenstöße, zitiert wird. Nur einmal wird es von „Kreta“ verdrängt, also derjenigen Insel, auf welche Zeus in Stiergestalt seine Geliebte Europa, die Namensgeberin des Kontinents, entführt hatte. Vielleicht kann dieser Text den Anstoß geben, in Deutschland und anderen Ländern einen Wettbewerb für den besten Text zur Melodie des Präludiums zum „Te Deum“ auszurichten.

Bildergalerie

[ngg src=“galleries“ ids=“8″ display=“basic_slideshow“ arrows=“1″]

Download

  Europahymne (Liedtext und Essay) (91,7 KiB, 1.138 hits)